Eine Routineuntersuchung
Ich als Vater berichte jetzt weiter, aber ich versuche, allzu viele medizinische Einzelheiten zu vermeiden. Mi wollte, konnte sich nicht mehr mit ihrer Geschichte auseinander setzen.
Dabei war sie sehr beruhigt und vor allem sehr ausgeruht aus der REHA in Bad Mergentheim zurück gekehrt.
Eine Routine-Nachuntersuchung steht im Januar bei Frau Dr. Nolte an. Natürlich gehe ich mit ihr dorthin, denn ich habe sie ja während der Chemo auch begleitet, und für die Kommunikation ist es auch wichtig. Wie immer ist die Ärztin freundlich-verbindlich, und sie untersucht gründlich. Als Mi ihr von Problemen beim Harnlassen erzählt, untersucht sie auch mit Ultraschall.
Ich warte wie immer vor dem Untersuchungszimmer. Die Tür zum Behandlungszimmer geht auf und es erscheint eine Ärztin, die mich anders anschau, als ich es von ihr gewohnt bin. Sie wirkt irgendwie beunruhigt, ich erschrecke.
Wir nehmen mit ihr zusammen in ihrem Arzt-Zimmer Platz. Aber statt mit uns zu sprechen greift sie zum Telefonhörer. Sie organisiert auf der Stelle eine Computertomografie im Kemperhof, also dem Krankenhaus, dem auch sie in einer externen Abteilung angehört. Sie läßt alle ihre Beziehungen spielen, um sofort einen Termin zu kriegen, und sie hat offensichtlich gute Beziehungen.
Die CT wird also am gleichen Tag noch durchgeführt. Ich bin derart
angespannt, daß ich im Krankenhaus einen Weinkrampf kriege, den man mit einer Beruhigungsspritze (oder?) bekämpft.
Ein junger Arzt kümmert sich um mich, auch als die Untersuchung abgeschlossen ist. Er hat ein vorläufiges Ergebnis der CT in der Hand, als er mich am Arm nimmt. “ Herr Singer, es sieht garnicht gut aus. Aber wir müssen das genaue Ergebnis abwarten”. Sehr tröstlich, ich bin am Ende meiner Kraft.
Aber wieso ich? Was bin ich doch für ein erbärmlicher Egoist. Es geht nicht um mich, es geht um Mi, meine Tochter. Ich muß ihr jetzt Kraft geben, und ich muß jetzt stark bleiben, für sie.
Das Untersuchungsergebnis, das wir dann mit Frau Dr. Nolte gemeinsam besprechen, oder besser, was sie uns erklärt, ist eindeutig.
Es haben sich Metastasen ausgebildet, im gesamten Unterbauch, fast bis zur Nabelhöhle. Der Tumor drückt auf den Harnleiter und führt dabei zu Störungen. In einer kurzfristig anberaumten OP wird nach einigen Tagen eine DJ-Schiene gelegt, die seither alle drei Monate erneuert werden muß.
Es erfolgt dann ein weiterer Krankenhausaufenthalt vom 17. – 27.2.2013 mit einer Operation, in der ein faustgroßer Tumor entfernt wird, es werden weitere Metastasen im gesamten Bauchbereich, auch der Leber, festgestellt. “Herr Singer, es sieht garnicht gut aus” ?
Nein, es sieht nicht gut aus, es sieht schlimm aus. Es gibt eine erbarmungslose Endgültigkeit.